Donnerstag, 27. Juni 2013

Augen auf beim Versichererwechsel

Das Oberlandesgericht Celle hat mit Urteil vom 10. Mai 2012 entschieden (Az.: 8 U 213/11), dass ein Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer gewechselt hat und nicht nachweisen kann, zu welchem Zeitpunkt ein Schaden eingetreten ist, keinen Anspruch auf eine Versicherungsleistung hat.
Im Jahr 1974 hatte der Kläger für sein Einfamilienhaus eine Wohngebäudeversicherung unter Einschluss des Leitungswasserrisikos abgeschlossen und entschloss sich im Jahr 2003 dazu, den Versicherer zu wechseln. Im Nachhinein stellte sich der Versichererwechsel als kapitaler Fehler heraus.
Etwas mehr als ein Jahr nach Abschluss des neuen Vertrages stellte sich heraus, dass der Kaltwasseranschluss der Geschirrspülmaschine des Klägers undicht war. Sachverständige gingen aufgrund des Schadenbildes davon aus, dass die Undichtigkeit schon eine geraume Zeit bestanden haben musste und sich das Loch in der Leitung nach und nach vergrößert hatte.
Daher bat der Kläger seinen neuen Versicherer darum, den Schaden zu regulieren. Mit der Begründung, dass nicht feststehe, ob die Beschädigung an der Leitung erst nach Versicherungsbeginn eingetreten sei, lehnte es dieser jedoch ab, für den Schaden einzustehen. Der Vorversicherer fühlte sich ebenfalls nicht zuständig, da die Leckage ebenso gut nach der Kündigung des bei ihm bestehenden Vertrages eingetreten sein könnte.
Das angerufene Gericht beauftragte gleich mehrere Sachverständige mit der Klärung der Frage des Schadenzeitpunkts. Während einer der Gutachter von einem Schadeneintritt vor Beginn des neuen Vertrages ausging, hielt ein anderer einen Rohrbruch innerhalb der letzten paar Monate vor Entdeckung des Schadens für wahrscheinlich. Weitere Sachverständige einschließlich des TÜV-Nord hielten es für unmöglich, eine konkrete Aussage bezüglich des Entstehungszeitpunkts der Leckage zu treffen; man sei auf Spekulationen angewiesen.
Dieser gebündelte Sachverstand war den Richtern Grund genug, die Klage des Versicherten als unbegründet zurückzuweisen, da es seine Sache sei, zu beweisen, welcher der beiden Versicherer für die Schadenregulierung zuständig ist. Diesen Beweis konnte der Kläger jedoch unmöglich erbringen und ging daher leer aus.
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Donnerstag, 20. Juni 2013

"Bauliche Anlage" im Sinne der Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 30. März 2012 entschieden (Az.: I-20 U 5/12), dass es sich bei einer Photovoltaikanlage um eine sonstige bauliche Anlage im Sinne der Bedingungen einer Rechtsschutzversicherung handelt. Rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Hersteller oder Lieferanten einer solchen Anlage sind daher nicht mitversichert.
Auf dem Dach seines Hauses hatte der Kläger von einer Fachfirma eine Photovoltaikanlage errichten lassen. Da die fast 551.000 Euro teure Anlage Mängel aufwies, wollte er rechtlich gegen den Lieferanten vorgehen. Dazu wollte er seinen Rechtsschutzversicherer in Anspruch nehmen.
Der Versicherer versagte ihm dies und berief sich dabei auf den Wortlaut der Versicherungs-Bedingungen. Denn dort hieß es, dass die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder sonstigen baulichen Anlagen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind.
Eine Photovoltaikanlage sei eine sonstige bauliche Anlage im Sinne der Bedingungen.
Der Versicherte trug in seiner gegen den Versicherer angestrengten Klage vor, dass es sich bei einer Photovoltaikanlage nicht um eine sonstige bauliche Anlage im Sinne der Versicherungs-Bedingungen handele. Denn sie könne jederzeit demontiert und an anderer Stelle neu errichtet werden.
Weder die Richter noch des in der ersten Instanz angerufenen Landgerichts noch ihre Kollegen vom Oberlandesgericht waren davon überzeugt. Von beiden Instanzen wurde die Klage als unbegründet zurückgewiesen.
Allgemeine Versicherungs-Bedingungen sind nach höchstricherlicher Rechtsprechung generell so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Erkenntnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, so das Gericht.
Jedoch war das Verhalten des Versicherers unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung dem Kläger gegenüber jedoch nicht zu beanstanden. Wesentlich für den Begriff der "sonstigen baulichen Anlage" im Sinne der dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen ist nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang eine Verbindung von gewisser Dauer und Festigkeit mit einem Gebäude oder Grundstück. Davon ist bei einer Photovoltaikanlage auf einem Dach nach Ansicht der Richter jedoch auszugehen.
Die Richter stimmten zwar mit dem Kläger darin überein, dass eine solche Anlage jederzeit demontiert und an anderer Stelle installiert werden kann. Doch das schließt ihre Eigenschaft als bauliche Anlage nicht aus. Denn auch andere Gegenstände wie zB eine Tür oder ein Fenster, können nach ihrem Einbau in ein Haus später aus- und an anderer Stelle wieder eingebaut werden. Sie bleiben indes nach dem Sprachgebrauch und ihrer Funktion Teile eines Gebäudes.
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Donnerstag, 13. Juni 2013

Neue Rechtsprechungs-Facette zur Versorgungsehe

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 30. Mai 2012 entschieden (Az.: S 11 R 5359/08) und damit der bisherigen Rechtsprechung zur Versorgungsehe eine neue Facette hinzugefügt, dass selbst dann nicht von einer Versorgungsehe auszugehen ist, wenn der Versicherte bereits bei der Hochzeit tödlich erkrankt war und die Ehe demzufolge nur 19 Tage dauerte und eine frühere Eheschließung aufgrund eines jahrelangen Scheidungsverfahrens unmöglich war.
§ 46 Absatz 2a SGB VI regelt, dass Witwen oder Witwer keinen Zahlungsanspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente haben, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr angehalten hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme gerechtfertigt ist, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenden-Versorgung zu begründen.
In dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit hatte die seinerzeit 58-jährige Klägerin ihren zu diesem Zeitpunkt lebensbedrphlich an Lungenkrebs erkrankten, langjährigen Lebensgefährten geheiratet. Die Ehe dauerte nur kurz, wie von den behandelnden Ärzten befürchtet. Bereits nach 19 Tagen wurde die Klägerin Witwe.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund wies ihren Antrag auf Zahlung einer Witwenrente mit dem Argument zurück, dass die Ehe in sicherer Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Todes ihres Lebensgefährten geschlossen wurde. Nach einer Ehezeit von nur 19 Tagen müsse daher von einer Versorgungsehe ausgegangen werden.
Das Berliner Sozialgericht sah das anders und gab der Klage der Frau auf Zahlung einer Witwenrente statt. Nach Ansicht des Gerichts spricht eine kurze Dauer einer Ehe für sich allein gesehen nicht für die Annahme einer Versorgungsehe. Bei der Frage, ob ein Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenen-Versorgung besteht, sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Die Klägerin und ihr Mann hatten vorliegend bereits seit Jahren zusammengelebt, ein gegenseitiges Testament und eine Patientenverfügung aufgesetzt und gegenseitige Bankvollmachten ausgestellt. Noch bevor sie von der Erkrankung des Mannes erfuhren, hatten sie außerdem nachweislich Erkundigungen wegen einer möglichen Eheschließung eingeholt.
Die Heiratsabsicht scheiterte jedoch daran, dass der Mann noch verheiratet war. Er hatte zwar die Scheidung eingereicht, doch das Scheidungsverfahren zog sich über fünf Jahre hin. Unmittelbar nachdem der Mann von der Rechtskraft der Scheidung erfuhr, heiratete er die Klägerin.
Nach Auffassung des Gerichts ist es unter Würdigung dieser Gesamtumstände unbillig, von einer Versorgungsehe auszugehen.
Regelmäßig führt die Frage, ob eine kurze Ehedauer zu Ansprüchen auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente führt, zu Rechtsstreit. Nicht immer gehen die Urteile zu Gunsten der Hinterbliebenen aus.
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Donnerstag, 6. Juni 2013

Auf Leben und Tod bei der Krankenkasse

Das bayrische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 08. April 2013 (Az.: L 5 KR 102/13 B ER) entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen die Kosten für die Behandlung übernehmen müssen, wenn die Behandlung mit einem noch nicht zugelassenen Medikament nach ärztlicher, wissenschaftlich fundierter Kenntnis eine Aussicht auf Erfolg verspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass alle anderen Behandlungsmethoden ohne Erfolg geblieben sind.
Ein 46-jähriger Mann, der unter einem bösartigen Hirntumor litt, hatte geklagt. Sämtliche operativen, radiologischen und chemotherapeutischen Maßnahmen konnten den Krebs nicht stoppen. Die behandelnden Ärzte einer renommierten deutschen Universitätsklinik sahen daher als letzte Chance, den Kläger mit einem Medikament zu behandeln, welches zwar für die konkrete Krebsbehandlung nicht zugelassen war, das aber eine Aussicht auf einen Erfolg versprach.
Die Krankenkasse des Klägers lehnte es nach Rücksprache mit dem Medizinischen Dienst (MDK) ab, die Kosten für die Behandlung mit dem Medikament zu übernehmen, da der MDK die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Therapie anzweifelte. In seiner Not bat der Kläger das Bayrische Landessozialgericht um eine Eilentscheidung.
Mit der Klage hatte er Erfolg, so dass die gesetzliche Krankenkasse die Behandlung bezahlen muss.
Nach Auffassung des Gerichts verbietet es im Fall des Klägers die besondere Dringlichkeit, ihn auf ein langwieriges Verfahren mit Beweiserhebung und Sachverständigen-Gutachten zu verweisen. Bei der Abwägung der Rechtsgüter der Krankenkasse und des Klägers überwiegt eindeutig der im Grundgesetz verankerte Schutz von Leben und Gesundheit.
Wenngleich ein Krankenversicherer nicht dazu verpflichtet ist, die Kosten für eine offenkundig aussichtslose Behandlung zu übernehmen, kann von einem derartigen Sachverhalt im Fall des Klägers jedoch nicht ausgegangen werden. Denn bieten herkömmliche Maßnahmen keine Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung und ist nach ärztlicher wissenschaftlich fundierter Kenntnis ein neues Verfahren aussichtsreich, müssen die Kassen auch dieses Verfahren übernehmen.
Daher tragen die Beitragszahler das rein finanzielle Restrisiko einer nicht vollständig sicheren Therapie.
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