Samstag, 21. Dezember 2013

Spritztour mit Folgen

Das Amtsgericht Hagen hat mit Urteil vom 24. April 2013 (Az.: 140 C 206/12) entschieden, dass die Eltern eines Minderjährigen in der Regel davon ausgehen dürfen, dass ihr Kind nicht ohne Erlaubnis das Familienauto benutzt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Kind keine Fahrerlaubnis besitzt.

Dem Urteil lag eine Regressklage eines Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherers zugrunde, welcher für einen Unfall einstehen musste, den der Beklagte mit dem versicherten Fahrzeug aus Unachtsamkeit beim Abbiegen verursacht hatte.
Problematisch war, dass dem Beklagten der Personenkraftwagen nicht gehörte und er außerdem keine Fahrerlaubnis besaß. Hätte der Beklagte einen Führerschein besessen, so hätte der Versicherer den Schaden regulieren müssen, ohne eine Regressmöglichkeit zu haben. Nun verlangte er von ihm seine Aufwendungen in Höhe von fast 5.000 Euro zurück.
Der Beklagte wollte jedoch nicht zahlen und begründete es damit, dass ihm der Fahrzeugschlüssel von dem mit ihm befreundeten minderjährigen Sohn des Fahrzeughalters überlassen worden war, der ebenfalls keine Fahrerlaubnis besaß. Mit diesem habe er gemeinsam eine nächtliche Spritztour unternommen, die dann mit dem Unfall endete.
Im Übrigen sei man auf die Idee, sich des Autos zu bemächtigen, nur deswegen gekommen, da der Autoschlüssel auf einer Ablage im Flur der elterlichen Wohnung seines Freundes gelegen habe. Der Fahrzeughalter habe daher einen Anreiz für die Spritztour geschaffen, die er sich versicherungsrechtlich als Obliegenheitsverletzung anrechnen lassen müsse. Daher könne er nicht allein in Regress gezogen werden.
Das Hagener Amtsgericht wollte sich dem nicht anschließen und gab der Klage des Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherers in vollem Umfang statt.
Nach richterlicher Meinung haftet der Beklagte im Innenverhältnis der Gesamtschuldner allein. Der klagende Versicherer ist dem Beklagten gegenüber wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Obliegenheiten leistungsfrei geworden, weil dieser den Personenkraftwagen der Eltern seines Freundes benutze, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
Das Gericht wollte dem Einwand des Beklagten, dass am Fahrzeughalter ebenfalls eine Obliegenheits-Verletzung vorzuwerfen sei, weil er den Autoschlüssel offen habe herumliegen lassen, nicht folgen. Ohne besondere Anhaltspunkte dürfen die Eltern jugendlicher davon ausgehen, dass diese nicht ohne Erlaubnis ihren Pkw nutzen. Dies gilt insbesondere, wenn Kinder nicht über eine Fahrerlaubnis verfügen.
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
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Donnerstag, 12. Dezember 2013

Verspätung in der Unfallversicherung

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat mit Urteil vom 25. April 2013 (Az.: 12 U 43/12) entschieden, dass der Versicherungsnehmer klar, eindeutig und in Schriftform innerhalb eines Jahres nachweisen muss, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, um Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung zu bekommen.

Im Jahr 2007 hatten der Kläger und seine Ehefrau im Ausland einen Verkehrsunfall, nachdem sie dort stationär behandelt wurden. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland meldeten sie das Schadenereignis im November 2007 bei ihrem privaten Unfallversicherer zur Regulierung an. Im Juli 2008 beantragten beide Invaliditätsrente nach den zugrundeliegenden AUB 94.
Der Versicherer wies sie schriftlich im März, Juli und August 2008 darauf hin, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt und geltend gemacht werden müsse, weil sonst der Anspruch erlösche. Im Dezember 2007, Juli 2008 und Januar 2009 konnte der behandelnde Arzt auf Rückfrage des Versicherungs-Unternehmens noch keine Invalidität des Klägers und seiner Frau feststellen. Erst im September 2009 bescheinigte er den beiden rückwirkend zum Mai 2008 eine 80-prozentige Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen einer schweren reaktiven Depression mit Angst- und Panikattacken sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Außerdem stellte im Juli 2011 eine Psychologin ein Attest aus, dass bei beiden Versicherungsnehmern bereits bei dem ersten Behandlungstermin im November 2008 Depressionen und Geschäftsunfähigkeit sowie eine 80-prozentige Erwerbsunfähigkeit vorgelegen hätten.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 7. November 2007 rückwirkend ab dem 1. September 2007 in die Pflegestufe 1 eingruppiert.
Die Versicherung lehnte mit Schreiben vom 13. Februar 2009 die Zahlung einer Invaliditätsrente ab, wies aber nicht auf die Klagefrist hin.
Am 3. November 2011 reichte der Versicherungsnehmer dagegen Klage ein, die dem Versicherer am 22. Dezember 2011 zugestellt wurde. Aus Sicht des Klägers hatte sich nach dem Unfall ein Dauerschaden entwickelt, der eine Invaliditätsleistung von 203.704 Euro plus eine Monatsrente von je 554 Euro für beide Kläger rechtfertigte.
Das Landgericht Darmstadt wies die Klage ab und folgte damit der Begründung des Versicherungs-Unternehmens, nach der es einerseits an einer rechtzeitigen schriftlichen Feststellung der Invalidität (§ 7 I (1) AUB 94) setzt eine rechtzeitige schriftliche Feststellung der Invalidität voraus) durch einen Arzt fehle. Andererseits sei der Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten psychischen Folgen nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
Der Kläger ging dagegen in Berufung, die vom OLG Frankfurt angenommen wurde, jedoch im Ergebnis unbegründet war. Mit einer mündlichen Verhandlung wollte das Gericht aber der besonderen persönlichen Bedeutung Rechnung tragen, die die Angelegenheit für den Kläger habe. Die Klage sei vor dem Landgericht nicht zu spät eingereicht worden, da der Kläger nicht auf die Klagefrist hingewiesen worden war. Insgesamt war aber auch das OLG der Auffassung, dass die Invalidität des Klägers und seiner Ehefrau zu spät schriftlich geltend gemacht und nicht ausreichend begründet wurde. Der Versicherer könne nur auf der Grundlage schriftlicher Untersuchungsergebnisse die attestierte Erkrankung und ihre Auswirkungen auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Versicherten überprüfen. Eine interne Diagnose, die zudem nicht schriftlich festgehalten wurde, reiche dabei nicht aus.
In den Attesten über den Krankenhausaufenthalt im Ausland wurden keine Dauerfolgen erwähnt. Die späteren ärztlichen Atteste enthalten aus Sicht des Gerichts keine Angaben über einen konkreten Dauerschaden, der die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinflusst. Nicht erkennbar sei, welche gesundheitlichen Einschränkungen eine Invalidität von 80% rechtfertigen sollen, wobei Feststellungen zum Grad der Invalidität ohnehin nicht erforderlich und nicht unbedingt zutreffend seien.
Das OLG wies daher die Berufung zurück.
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Donnerstag, 5. Dezember 2013

Gefälligkeit und gesetzliche Unfallversicherung

Das hessische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 18. Juni 2013 entschieden (Az.: L 3 U 26/11), dass für einen Verwandten tätige Personen, die dabei einen Unfall erleiden, nur unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn sie dabei nicht unternehmerisch handeln.

Geklagt hatte ein 38-jähriger Gebäudereiniger, der aus Gefälligkeit die Außenfassade des Gebäudes seiner Schwester reinigen wollte. Als er in die Mauerfugen eingewachsenes Efeu beseitigte, stürzte er aus drei Meter Höhe von der Leiter und erlitt dabei einen Dauerschaden. Daraufhin verlangte er von der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft, den Unfall als Berufsunfall anzuerkennen. Seine Argumentation war, dass auch Personen, die zwar keine Arbeitnehmer sind, aber wie diese tätig werden, gemäß § 2 Absatz 2 SGB VII als sogenannte "Wie-Beschäftigte" unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.
Die Berufsgenossenschaft lehnte jedoch eine Anerkennung ab. Nach ihrer Ansicht war der Kläger während einer reinen Gefälligkeitshandlung verunglückt, die unter Geschwistern selbstverständlich ist. Er habe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Das in erster Instanz angerufene Soialgericht wollte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anschließen. Angesichts des hohen Aufwandes, den der Verunglückte bei der Reinigung der Gebäudefassade betreiben musste, könne von keiner bloßen Gefälligkeitshandlung ausgegangen werden.
Daher gaben die Richter der Klage des Gebäudereinigers statt. Die Berufsgenossenschaft war mit ihrer hiergegen beim Hessischen Landessozialgericht eingelegten Berufung erfolgreich.
Nach Ansicht des Gerichts kommt es nicht darauf an, ob der Kläger möglicherweise bei einer nicht versicherten Gefälligkeitshandlung, wie sie unter Verwandten üblich ist, verunglückt ist. Vielmehr ist die Frage entscheidend, ob er wie ein Arbeitnehmer tätig geworden ist. Nur dann kann von einer "Wie-Beschäftigung" im Sinne des Sozialgesetzbuchs ausgegangen werden.
Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit setzt jedoch gemäß § 7 Absatz 1 SGB IV voraus, dass eine verunglückte Person weisungsgebunden gearbeitet hat. Im vorliegenden Fall konnte davon jedoch nicht ausgegangen werden.
Die Beweisaufnahme ergab, dass er seiner Schwester von sich aus angeboten hatte, die Fassade ihres Hauses zu reinigen, ohne dabei weisungsgebunden zu sein. Es wurden ihm keine konkreten Vorgaben gemacht. Ferner hatte der Kläger sein eigenes Werkzeug benutzt.
Die Richter gingen aufgrund dieser Umstände davon aus, dass der Kläger wie ein Selbstständiger gehandelt hat. Daher stand er bei seinem Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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