Montag, 23. April 2012

Radfahrer und Nutzungsausfall-Entschädigung?


Das Landgericht Lübeck hat mit Urteil vom 8. Juli 2011 entschieden (Az.: 1 S 16/11), dass ein Geschädigter, der nach einem unverschuldeten Unfall vorübergehend auf sein Fahrrad verzichten muss, unter Umständen einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung hat.


Mit seinem Fahrrad war der Kläger auf dem Weg in sein Büro, als er unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde. Bei dem Unfall zog er sich zwar keine nennenswerten Verletzungen zu. Sein neuwertiges, mehrere tausend Euro teures Fahrrad wurde jedoch so schwer beschädigt, dass er ein Ersatzfahrrad bestellen musste. Dieses Fahrrad wurde nach 35 Tagen geliefert.
Der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers wies seine Forderung, ihm für diese Zeit eine Nutzungsausfall-Entschädigung zu zahlen, als unbegründet zurück. Denn die Zahlung einer solchen Entschädigung sei nur bei einem zwangsweisen Verzicht auf ein Kraftfahrzeug üblich. Als Inhaber eines Mietwagenunternehmens wäre es dem Kläger im Übrigen zumutbar gewesen, eines seiner Mietfahrzeuge zu nutzen.
Die Richter des Lübecker Landgerichts teilten diese Auffassung nicht und gaben - anders als die Vorinstanz - der Klage auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung statt.
Dem Kläger steht nach Ansicht des Gerichts eine entsprechende Entschädigung zu, auch wenn die Grundsätze zur Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung zunächst einmal für die Fälle der entgangenen Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs entwickelt wurden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Nutzungsausfall dann als ein zu ersetzender Vermögensschaden anzusehen, wenn ein Gegenstand zerstört oder beschädigt wurde, auf dessen ständige Verfügbarkeit ein Geschädigter angewiesen ist.
Da der Kläger sein Fahrrad aber nachweislich für seinen regelmäßigen Weg zur Arbeit nutzte, ist es nach Ansicht der Richter nicht gerechtfertigt, ihn schlechter zu stellen als den Halter eines Kraftfahrzeugs, dem in einem vergleichbaren Fall ebenfalls die Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung zustehen würde.
Dem Entschädigungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger als Inhaber einer Autovermietungsfirma die Möglichkeit hatte, auf eines seiner Mietfahrzeuge zurückzugreifen. Denn er war auch im Rahmen seiner ihm obliegenden Schadenminderungs-Pflicht gemäß § 254 Absatz 2 BGB nicht dazu verpflichtet, mögliche Mieteinbußen hinzunehmen.
Neben seinem hochwertigen Stadtrad verfügte der Kläger nachweislich auch noch über mehrere Rennräder. Der Versicherer durfte ihn auch auf deren ersatzweise Nutzung nicht verweisen. Denn diese waren unter anderem nicht mit Schutzblechen ausgestattet. Bei Regen hätte der Kläger daher mit erheblichen Spritzern auf seiner Kleidung rechnen müssen. Das war ihm nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht zuzumuten.
Die Richter orientierten sich bei der Berechnung der Höhe des Nutzungsausfalls mangels entsprechender Tabellen an dem Vorschlag eines Sachverständigen. Dieser legte seiner Berechnung die ortsübliche Miete für ein gutes Leihfahrrad zuzüglich eines kräftigen Zuschlags wegen der Hochwertigkeit des klägerischen Fahrrades zugrunde.
Das Gericht kürzte die so errechnete Summe um den geschätzten Gewinn eines Vermieters, wobei die Richter einen Abschlag von 40 % für gerechtfertigt hielten.
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