Montag, 9. April 2012

Ohne Belehrung keine verspätete Stehlgutliste


Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 20. September 2011 entschieden (Az.: 12 U 89/11), dass ein Versicherer sich nach einem Einbruchdiebstahl nicht auf (teilweise) Leistungsfreiheit wegen der verspäteten Einreichung einer Stehlgutliste berufen kann, wenn er den Versicherten bei der Schadenmeldung nicht ausdrücklich auf die Folgen einer nicht unverzüglichen Vorlage hingewiesen hat.


Der Kläger war am 14. März 2010 Opfer eines Einbruchdiebstahls geworden. Dabei wurde insbesondere Schmuck gestohlen.
Den Schaden meldete er unverzüglich seinem Versicherer sowie der Polizei, ohne dabei von dem Versicherer auf die möglichen rechtlichen Folgen einer verspäteten Einreichung einer Liste der gestohlenen Sachen hingewiesen zu werden. Für den Versicherten erwies es sich als schwierig, kurzfristig eine Aufstellung zu erstellen. Denn um Angaben zum Wert insbesondere der Schmuckstücke machen zu können, musste er alte Kontoauszüge durchsehen, nach Fotos suchen und diese Juwelieren zur Bewertung vorlegen. Ein Teil des wertvollen Schmucks war nämlich vor über 20 Jahren angeschafft worden.
Darüber hinaus musste er zwei Wochen nach dem Ereignis eine seit längerem gebuchte 14-tägige Reise antreten, was die Erstellung der Stehlgutliste ebenfalls verzögerte.
Die detaillierte Liste wurde schließlich zwei Monate später der Polizei und dem Versicherer zugeleitet. Ein von diesem beauftragter Gutachter ließ den Kläger Anfang Juni eine Abfindungserklärung über einen Betrag von rund 28.500,00 Euro unterzeichnen, das allerdings vorbehaltlich der Zustimmung des Versicherers.
Allerdings war der Versicherer nicht dazu bereit, dem Kläger den tatsächlich entstandenen Schaden zu erstatten. Nach seiner Meinung hatte dieser die Stehlgutliste nämlich grob fahrlässig verspätet eingereicht und den Ermittlungsbehörden so jegliche Chance für eine erfolgreiche Fahndung genommen. Als Entschädigung bot der Versicherer dem Kläger daher lediglich 5.000,00 Euro an, womit dieser nicht einverstanden war.
Er trug in seiner gegen den Versicherer eingereichten Klage vor, dass dieser ihn bei der Meldung des Schadens hätte darauf hinweisen müssen, dass die Stehlgutliste unverzüglich einzureichen ist. Der Versicherer hätte ihn vor allem über die Folgen einer verspäteten Einreichung aufklären müssen. Das aber sei nachweislich unterblieben.
Ferner habe er angesichts der Schwierigkeiten, die sich bei der Erstellung der Stehlgutliste ergeben hatten, allenfalls leicht fahrlässig gehandelt, zumal er davon ausgehen musste, dass keine Eile geboten war. Denn schließlich hätte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen bereits am 31. März 2010 eingestellt.
Anders als die Vorinstanz fanden die Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe diese Argumentation überzeugend und gaben der Klage des Versicherten statt. Sie verurteilten den Versicherer dazu, ihm seinen gesamten Schaden zu erstatten. Der Versicherer konnte sich allein schon deswegen nicht auf teilweise Leistungsfreiheit wegen grober Fahrlässigkeit berufen, weil er es bei der Schadenmeldung entgegen den Bestimmungen von § 28 Absatz 4 VVG versäumt hat, den Versicherten auf die Folgen einer verspäteten Einreichung der Stehlgutliste hinzuweisen. Zudem wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Erläuterung seitens der Polizei oder des Versicherers nicht bekannt sein, welche Detailangaben in welchem Zeitraum für einen raschen Fahndungserfolg erforderlich sind.
Die Richter erläuterten an einem Beispiel, wie schwierig es für einen durchschnittlichen Versicherten ist, präzise Angaben zu machen. Demnach hatten sie selbst versucht, allein aus dem Gedächtnis in ihrem Haushalt vorhandene Schmuckstücke für eine Identifizierung brauchbar zu beschreiben, ohne dass ihnen das wirklich gelungen wäre. Daraus schlossen die Richter, dass Vieles dafür spricht, dass ein am Fahndungserfolg interessierter Versicherer dem betroffenen Versicherungsnehmer unverzüglich jemanden zur Seite stellt, der Gegenstand und Umfang der Meldungen mit ihm bespricht, und seine berechtigten Belange mit konkreten Auskunftsverlangen und Weisungen im Sinne der Versicherungs-Bedingungen wahrt.
Die Gesamtumstände sprechen nach Überzeugung des Gerichts gegen grobes Verschulden.
Daher kann sich der Versicherer auch aus diesem Grund nicht auf (teilweise) Leistungsfreiheit berufen.
------------------------------------------------------------- Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Dann schreiben Sie uns an info@bellingergroup.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen