Donnerstag, 8. März 2012

Grobe Fahrlässigkeit in der Fotoapparate-Versicherung


Das Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 17. September 2010 entschieden (Az.: 13 O 153/08), dass ein Fotoapparate-Versicherer im Falle eines Diebstahls in der Regel nicht dazu berechtigt ist, seine Leistungen „auf Null“ zu kürzen, selbst wenn ein Versicherter auf dem Gelände eines Flughafens keinen ständigen Sicht- bzw. Körperkontakt zu seiner wertvollen Fotoausrüstung hat.


Ein selbstständiger Kameramann hatte geklagt, der für seine Kameraausrüstung bei der Beklagten eine Film- und Fotoapparate-Versicherung abgeschlossen hatte. Der Kläger flog im Januar 2008 für Dreharbeiten nach Valencia. Weil er dort bei der Ankunft sein aufgegebenes Gepäck nicht auffand, begab er sich zusammen mit einem ihm begleitenden Mitarbeiter zum „Lost & Found-Schalter“. Dabei führte er auf einem Trolley sein aus zwei Taschen bestehendes Handgepäck mit, in welchem sich seine Kameraausrüstung im Neuwert von mehr als 40.000 Euro befand.
Obwohl er sich seinen eigenen Angaben zufolge in Tuchfühlung mit dem Trolley befand und er eine der Taschen mit einer Jacke abgedeckt hatte, gelang es einem unbekannten Täter, während des Gesprächs mit einer Flughafenangestellten wegen des nicht angekommenen Gepäcks die beiden Taschen zu entwenden.
Nachdem er wegen des Schadens seinen Fotoapparate-Versicherer in Anspruch nehmen wollte, verweigerte dieser die Leistungsübernahme, da der Versicherte den Schaden grob fahrlässig verursacht habe. Denn angesichts der Tatsache, dass er sich auf einem Flughafengelände befand, hätte der Kameramann die Taschen entweder am Körper tragen oder sie laufend im Blick behalten müssen, so der Versicherer. Er hielt den Einwand des Klägers nicht für stichhaltig, dass sich im Umfeld des Lost & Found-Schalters nur wenige Personen aufgehalten hatten und es ihm unmöglich war, die Taschen wegen ihrer Sperrigkeit und ihres Gewichts am Körper zu tragen.
Die Richter beurteilten den Fall jedoch anders als der Versicherer und gaben der Klage auf Zahlung einer Entschädigung für die abhanden gekommene Ausrüstung zumindest teilweise statt.
Nach Meinung des Gerichts ist es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unstreitig, dass dem Kläger die beiden Taschen vor dem Flughafenschalter entwendet worden sind. Unstreitig ist es allerdings auch, dass der Versicherte den Schaden grob fahrlässig verursacht hat. Denn er hatte während seines Gesprächs mit der Flughafenangestellten lediglich einen Körperkontakt zum oberen Bügel des Trolleys, nicht jedoch zu den beiden Taschen. Der Trolley befand sich nämlich zumindest zeitweise seitlich hinter ihm. Er hätte sich daher umdrehen müssen, um die Taschen im Blick zu behalten. Das aber hat er unbestritten nicht getan. „Der Kläger hat damit seine im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei unbeachtet gelassen, was in dieser Situation jedem hätte einleuchten müssen“, so das Gericht.
Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger die Taschen mit dem wertvollen Inhalt nicht umgehängt hat, da ihm das bei einem Gewicht von circa acht bis zehn Kilogramm nicht nur möglich, sondern auch zumutbar gewesen wäre. Er hätte die Taschen ersatzweise auch zwischen seine Beine oder vor sich abstellen können, da dann ebenfalls ein Blick- und Körperkontakt möglich gewesen wäre.
Daher ist der Versicherer grundsätzlich dazu berechtigt, dem Kläger wegen grober Fahrlässigkeit die Leistung zu versagen. Dabei hat er jedoch die Schwere des Verschuldens des Versicherten zu berücksichtigen.
Im entschiedenen Fall hielten die Richter anders als der Versicherer eine volle Versagung des Versicherungsschutzes für ungerechtfertigt. Denn nach der glaubwürdigen Aussage eines Zeugen hatte der Kläger sein Gepäck für maximal eine Minute nicht im Blick. Daher hielten die Richter eine Kürzung seines Anspruchs um 40 Prozent für angemessen.
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