Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil
vom 12.10.2011 (Az.: IV ZR 199/10) entschieden, dass Regelungen in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen (AVB) über die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten
unwirksam sind, die sich an der abgelösten Regelung des § 6 VVG alte Fassung
orientieren, wenn Versicherer ihre AVBs nicht fristgerecht auf das neue VVG
2008 umgestellt haben.
Bei einem
durch eine „Wohngebäude-Vielschutz-Versicherung“ nach den VGB 88 versicherten
Gebäude war am 8. Januar 2009 ein Leitungswasserschaden aufgetreten. Das
Gebäude stand zu der Zeit leer, war aber für eine neue Vermietung vorgesehen.
Die Heizungsanlage war nicht entleert worden. In seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter
des Objekts forderte der Kläger einen Ersatz der Kosten, die sich auf insgesamt
gut 6.200,- Euro zzgl. Zinsen belaufen. Der Versicherer war damit nicht
einverstanden. Wenngleich nach einer Ortsbesichtigung im Mai der Verwalter
angewiesen wurde, die nach einer ersten Notreparatur notwendigen Restarbeiten
durchzuführen, erklärte sich der Versicherer nur bereit, die Hälfte der Kosten
zu übernehmen, da dies mit der Verletzung der vertraglichen Obliegenheit, in
nicht genutzten Gebäuden die wasserführenden Leitungen abzusperren und zu
entleeren begründet wurde. Dabei wendete er offenkundig die aktuellen Bestimmungen
des § 28 Absatz 2 VVG an, nach denen bei grob fahrlässiger
Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit eine Kürzung nach dem Grad der
Schwere der Schuld zulässig ist.
Der Kläger wartete
vergeblich auf eine Erstattung, nachdem er die Rechnungen eingereicht hatte.
Seine daraufhin
eingereichte Klage begründete er damit, dass die Leitungen wenige Tage vor dem
Schaden kontrolliert worden seien und das Haus deshalb beheizt wurde, weil es
zum Verkauf stand. Allerdings fiel die Heizung nach seiner Darstellung aus.
Die
Besonderheit an dem Fall ist, dass seit dem 1. Januar 2009 das 2008 reformierte
VVG gemäß Artikel 1 Absatz 1 EGVVG auch auf Altverträge anzuwenden ist.
Der Versicherer hatte es jedoch versäumt, seine Versicherungs-Bedingungen
innerhalb der dafür geltenden Frist nach Absatz 3 derselben Vorschrift anzupassen
und dem Kunden mitzuteilen.
Nach
Auffassung des Landgerichts Köln (Urteil vom 21. Januar 2010, Az.: 24 O 458/09)
kann sich der Versicherer nicht mehr auf § 11 Ziffer 1 c und d der VGB 88
berufen, der sich wiederum auf den alten § 6 VVG stützt. Denn nach dem neuen §
28 Absatz 2 VVG müssen die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung wirksam
vereinbart werden. Das Gericht verwarf auch die Ansicht, dass bei einer
unwirksamen Bestimmung eine dem Sinn entsprechende Auslegung des neuen Rechts
vorgenommen werden muss. Bei einer rein vertraglichen Regelung wie der hier
strittigen Obliegenheit gibt es keinen automatischen Ersatz, wenn die alte
Bestimmung gesetzeswidrig ist.
Außerdem
ließ das Landgericht nicht den Einwand des Versicherers gelten, dass eine
Umstellung aller Versicherungsverträge nicht zu leisten gewesen sei. Das sei
„noch nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar“.
Als sich
zwischenzeitlich auch das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 17. August 2010,
Az. 9 U 41/10) dieser Meinung angeschlossen hatte, hat der Bundesgerichtshof
ein Urteil gefällt. Der BGH hat dabei die Unwirksamkeit von vertraglichen
Obliegenheiten bei unterbliebener Anpassung alter Versicherungs-Bedingungen an
das neue VVG bestätigt. Der BGH interpretiert die Intention des Gesetzgebers
so, dass er keine spätere Lückenfüllung einer unterlassenen Bedingungsanpassung
zulassen wollte. Deshalb muss der Versicherer hinnehmen, dass die Verletzung
der vertraglichen Obliegenheiten sanktionslos bleibt, wenn er seine Bedingungen
nicht angepasst hat.
Der Fall wurde
vom BGH an die vorherige Instanz zurückverwiesen. Denn der Versicherer könne
sich unter Umständen auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des
Versicherungsfalls nach § 81 Absatz 2 VVG
oder auf eine Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG
berufen. Das Berufungsgericht hat nach Ansicht des BGH nicht ausreichend
geklärt, ob es sich hier um eine grob fahrlässige Herbeiführung des
Schadenfalls gehandelt hat.
Denn selbst
wenn ein Versicherer, der seine Bedingungen nicht angepasst hat, immer noch die
grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens oder eine Gefahrerhöhung einwenden
und aufgrund dessen unter Umständen eine Schadenkürzung vornehmen kann, so muss
er dies anders als bei der Verletzung der vertraglichen Obliegenheit dem
Versicherungsnehmer beweisen.
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