Donnerstag, 29. März 2012

BGH-Urteil gegen Versicherer mit nicht angepassten Bedingungen


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.10.2011 (Az.: IV ZR 199/10) entschieden, dass Regelungen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) über die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten unwirksam sind, die sich an der abgelösten Regelung des § 6 VVG alte Fassung orientieren, wenn Versicherer ihre AVBs nicht fristgerecht auf das neue VVG 2008 umgestellt haben.


Bei einem durch eine „Wohngebäude-Vielschutz-Versicherung“ nach den VGB 88 versicherten Gebäude war am 8. Januar 2009 ein Leitungswasserschaden aufgetreten. Das Gebäude stand zu der Zeit leer, war aber für eine neue Vermietung vorgesehen. Die Heizungsanlage war nicht entleert worden. In seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter des Objekts forderte der Kläger einen Ersatz der Kosten, die sich auf insgesamt gut 6.200,- Euro zzgl. Zinsen belaufen. Der Versicherer war damit nicht einverstanden. Wenngleich nach einer Ortsbesichtigung im Mai der Verwalter angewiesen wurde, die nach einer ersten Notreparatur notwendigen Restarbeiten durchzuführen, erklärte sich der Versicherer nur bereit, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, da dies mit der Verletzung der vertraglichen Obliegenheit, in nicht genutzten Gebäuden die wasserführenden Leitungen abzusperren und zu entleeren begründet wurde. Dabei wendete er offenkundig die aktuellen Bestimmungen des § 28 Absatz 2 VVG an, nach denen bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit eine Kürzung nach dem Grad der Schwere der Schuld zulässig ist.
Der Kläger wartete vergeblich auf eine Erstattung, nachdem er die Rechnungen eingereicht hatte.
Seine daraufhin eingereichte Klage begründete er damit, dass die Leitungen wenige Tage vor dem Schaden kontrolliert worden seien und das Haus deshalb beheizt wurde, weil es zum Verkauf stand. Allerdings fiel die Heizung nach seiner Darstellung aus.
Die Besonderheit an dem Fall ist, dass seit dem 1. Januar 2009 das 2008 reformierte VVG gemäß Artikel 1 Absatz 1 EGVVG auch auf Altverträge anzuwenden ist. Der Versicherer hatte es jedoch versäumt, seine Versicherungs-Bedingungen innerhalb der dafür geltenden Frist nach Absatz 3 derselben Vorschrift anzupassen und dem Kunden mitzuteilen.
Nach Auffassung des Landgerichts Köln (Urteil vom 21. Januar 2010, Az.: 24 O 458/09) kann sich der Versicherer nicht mehr auf § 11 Ziffer 1 c und d der VGB 88 berufen, der sich wiederum auf den alten § 6 VVG stützt. Denn nach dem neuen § 28 Absatz 2 VVG müssen die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung wirksam vereinbart werden. Das Gericht verwarf auch die Ansicht, dass bei einer unwirksamen Bestimmung eine dem Sinn entsprechende Auslegung des neuen Rechts vorgenommen werden muss. Bei einer rein vertraglichen Regelung wie der hier strittigen Obliegenheit gibt es keinen automatischen Ersatz, wenn die alte Bestimmung gesetzeswidrig ist.
Außerdem ließ das Landgericht nicht den Einwand des Versicherers gelten, dass eine Umstellung aller Versicherungsverträge nicht zu leisten gewesen sei. Das sei „noch nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar“.
Als sich zwischenzeitlich auch das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 17. August 2010, Az. 9 U 41/10) dieser Meinung angeschlossen hatte, hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt. Der BGH hat dabei die Unwirksamkeit von vertraglichen Obliegenheiten bei unterbliebener Anpassung alter Versicherungs-Bedingungen an das neue VVG bestätigt. Der BGH interpretiert die Intention des Gesetzgebers so, dass er keine spätere Lückenfüllung einer unterlassenen Bedingungsanpassung zulassen wollte. Deshalb muss der Versicherer hinnehmen, dass die Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten sanktionslos bleibt, wenn er seine Bedingungen nicht angepasst hat.
Der Fall wurde vom BGH an die vorherige Instanz zurückverwiesen. Denn der Versicherer könne sich unter Umständen auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 Absatz 2 VVG oder auf eine Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG berufen. Das Berufungsgericht hat nach Ansicht des BGH nicht ausreichend geklärt, ob es sich hier um eine grob fahrlässige Herbeiführung des Schadenfalls gehandelt hat.
Denn selbst wenn ein Versicherer, der seine Bedingungen nicht angepasst hat, immer noch die grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens oder eine Gefahrerhöhung einwenden und aufgrund dessen unter Umständen eine Schadenkürzung vornehmen kann, so muss er dies anders als bei der Verletzung der vertraglichen Obliegenheit dem Versicherungsnehmer beweisen.
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