Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit
Urteil vom 11. Mai 2011 entschieden (Az.: IV ZR 148/09), dass ein Versicherer
nur verpflichtet ist, beim Antragsteller wegen der im Antrag gemachten Angaben
nachzufragen, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die erteilten
Auskünfte nicht richtig sein können und für eine sachgerechte Risikoprüfung
weitere Informationen erforderlich sind.
Im Jahr 2003
hatte die Klägerin bei dem beklagten Versicherer eine Risikolebensversicherung
in Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Im
Versicherungsantrag beantwortete sie die Frage nach Erkrankungen der Haut sowie
die nach Allergien mit „ja“. Erläuternd gab sie an, dass sie seit ihrer Geburt
unter Neurodermitis litt und Medikamente einnehmen würde. Hingegen verneinte
sie die Frage, ob sie in den letzten fünf Jahren unter einer Erkrankung der
Atmungsorgane gelitten hatte und ob sie regelmäßig Medikamente einnahm. Daraufhin
wurde der Antrag unter Ausschluss der Neurodermitis und ihrer Folgen versichererseitig
angenommen. Bei der Klägerin wurde im Mai 2006 eine Brustkrebs-Erkrankung
festgestellt und diese erfolgreich behandelt. Deswegen war die Klägerin von
Anfang Juni bis Ende Dezember 2006 bedingungsgemäß berufsunfähig.
Nach
Beantragung der Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente, stellte der
Versicherer im Rahmen seiner Ermittlungen fest, dass die Klägerin seit 1998
wegen Asthma bronchiale behandelt worden war. Diese Erkrankung hatte sie in dem
Versicherungsantrag jedoch ebenso wenig angegeben wie den Namen des
behandelnden Arztes. Auch dass sie wegen der Erkrankung regelmäßig Medikamente
nehmen musste, hatte die Klägerin in dem Antrag verschwiegen.
Der
Versicherer lehnte die Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente ab, erklärte gleichzeitig
seinen Rücktritt vom Vertrag und focht ihn wegen arglistiger Täuschung an.
Daraufhin
reichte die Klägerin Klage beim Frankfurter Oberlandesgericht ein und dies mit
Erfolg.
Nach Auffassung
des Gerichts hat sich die Klägerin nämlich keiner vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung
schuldig gemacht, welche die Maßnahmen des Versicherers rechtfertigen würde. Eine
Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung ist nach Meinung der
Richter nicht möglich. Denn eine solche Anfechtung setzt voraus, dass ein
Versicherungsnehmer objektiv falsche Angaben in Täuschungsabsicht gemacht hat. Zutreffend
ist zwar, dass die Klägerin bei der Frage nach Erkrankungen der Atmungsorgane
die Asthma-Erkrankung nicht angegeben hat. Ihre auf einen Eintrag im
Internetlexikon Wikipedia gestützten Auffassung, dass das nicht nötig gewesen
sei, weil das Asthma eine Folge der von ihr angegebenen Neurodermitis ist, war
der Klägerin nach Meinung des Gerichts aber nicht zu widerlegen. Denn bei
Wikipedia heißt es zum Stichwort Neurodermitis unter anderem: „Neben den
Hauterscheinungen sind Heuschnupfen oder Asthma bei Patienten mit atopischen
Ekzemen in einigen Fällen ebenfalls vorhanden … Ein Großteil der Patienten mit
Neurodermitis leiden zusätzlich unter Allergien.“
Das Gericht
hielt die Erklärung der Klägerin für plausibel, dass sie eine Verbindung
zwischen ihrer Neurodermitis und ihrem allergischen Asthma sieht. Folglich hat
sie die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag nicht falsch beantwortet,
sondern ihr allergisches Asthma lediglich der falschen Rubrik zugeordnet. Das
reicht aber nicht dazu aus, um der Klägerin eine für einen Vertragsrücktritt
erforderliche Täuschungsabsicht nachzuweisen.
Die von dem
Versicherer in der Revision angerufenen BGH-Richter wollten dem nicht folgen. Gemäß
ständiger BGH-Rechtsprechung ist ein Versicherer zwar grundsätzlich dazu verpflichtet,
bei einem Antragsteller nachzufragen, wenn dieser in einem Versicherungsantrag
ersichtlich unvollständige oder unklare Angaben macht. Eine Nachfrage obliegt
dem Versicherer jedoch nur dann, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass die bisher von dem Versicherungs-Interessenten erteilten Auskünfte nicht
abschließend oder nicht richtig sein können und deshalb weitere Informationen
für ein sachgerechte Risikoprüfung erforderlich sind.
Im
vorliegenden Fall konnte der Versicherer zwar erkennen, dass die Frage zu der
regelmäßigen Einnahme von Medikamenten nicht richtig beantwortet wurde. Dieses
musste ihn jedoch nicht zu einer Nachfrage veranlassen. Denn die Klägerin hatte
in dem Antrag ergänzend die Namen der wegen ihrer Neurodermitis einzunehmenden
Medikamente sowie den Namen des behandelnden Arztes genannt.
Daher musste
der Versicherer auch nicht annehmen, dass die Klägerin wegen weiterer Erkrankungen,
hier wegen Asthma, behandelt wurde, auch wenn die Asthmaerkrankung mit der
Neurodermitis zusammenhing.
Unter den
gegebenen Umständen wollten es die Richter des Bundesgerichtshofs nicht ausschließen,
dass der Versicherer zu Recht seine Leistungsverpflichtung verneint und den
Vertrag angefochten hatte. Das Gericht hat den Fall daher an die Vorinstanz
zurückverwiesen. Diese hat nun unter anderem zu prüfen, ob die Klägerin
nachvollziehbar erklären kann, warum sie die Asthmabehandlung nicht im
Versicherungsantrag angegeben hat. Denn ihre bisherigen Angaben reichen den
Richtern des BGH nicht dazu aus, dass der Klage der Frau stattgegeben werden
kann.
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