Samstag, 3. September 2011

Bürgersteig ist für “große“ Radler tabu


Das Amtsgericht Hannover hat mit Urteil vom 29. März 2011 (Az.: 562 C 13120/10) entschieden, dass ein Fahrradfahrer, der entgegen der Verkehrsvorschriften einen Bürgersteig benutzt, in der Regel alleine für einen Unfall mit einem aus einer Grundstücksausfahrt kommenden Pkw verantwortlich ist.


Auf einem schmalen Bürgersteig war der Beklagte mit seinem Fahrrad unterwegs, als er mit dem von dem Sohn gesteuerten Pkw der Klägerin kollidierte. Dieser war aus einer Hofeinfahrt gekommen und musste den Gehsteig überqueren, um auf die Straße zu gelangen. Der Sohn der Klägerin hatte behauptet, sich langsam aus der Ausfahrt bewegt zu haben. Wegen die Einfahrt begrenzender Hauswände sei der Fußweg jedoch nur schwer einzusehen gewesen. Da der Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit dicht an der Häuserfront entlanggefahren sei, habe er ihn erst im letzten Augenblick wahrnehmen können.
Zwar gestand der Fahrradfahrer ein, den Gehweg verkehrswidrig benutzt zu haben, wollte sich trotz allem nur zum Teil an dem Schaden der Klägerin beteiligen. Denn deren Sohn sei zu schnell aus der Hofeinfahrt gekommen. Ihn treffe daher zumindest eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr des Pkw. Er selber sei im Übrigen langsam und mit deutlichem Abstand von der Häuserfront entfernt gefahren.
Das Gericht ließ sich davon nicht überzeugen und gab der Klage der Fahrzeughalterin auf Zahlung von Schadenersatz wegen der Beschädigung ihres Pkw in voller Höhe statt.
Nach Ansicht des Gerichts hat ein verbotswidrig auf einem Bürgersteig fahrender erwachsener Radfahrer einen durch den Zusammenstoß mit einem aus einer Einfahrt kommenden Kraftfahrzeug entstandenen Schaden allein zu tragen, wenn dessen Fahrer kein Verschulden trifft. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs tritt in solchen Fällen vollständig hinter dem Verschulden des Fahrradfahrers zurück. Der Beklagte ist für den Unfall allein verantwortlich, da Bürgersteige ausschließlich von Fußgängern sowie von Fahrrad fahrenden Kindern im Alter bis zu zehn Jahren benutzt werden dürfen (§ 2 Absatz 5 StVO). Der Beklagte hat sich daher nicht nur verkehrswidrig, sondern äußerst leichtsinnig verhalten, als er den Bürgersteig befuhr.
Der Aussage des Radlers, mit deutlichem Abstand von der Häuserfront entfernt gefahren zu sein, schenkte das Gericht keinen Glauben. Sonst wäre er auf dem schmalen Bürgersteig nicht, wie von ihm behauptet, durch die Kollision mit seiner Schulter gegen die Hauswand gestoßen.
Autofahrer sollten das Urteil nicht als Freibrief für sorgloses Fahren aus einer Ausfahrt nehmen. Gemäß § 10 StVO hat sich ein aus einer Grundstücksausfahrt kommender Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat sich nötigenfalls einweisen zu lassen.
Vermutlich hätte der Autofahrer die Alleinschuld für die Unfallfolgen gehabt, wenn ein Kind unter zehn Jahren als berechtigter Radfahrer auf dem Gehsteig beteiligt gewesen wäre.
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