Montag, 29. August 2011

Jungrind in Panik


Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 20. April 2011 entschieden (Az.: 7 U 13/08), dass der Besitzer einer in Panik geratenen und aus einer Koppel ausbrechenden Kuh in der Regel selbst dann nicht für einen durch das Tier verursachten Unfall verantwortlich ist, wenn die Koppel unzureichend gesichert war.


Ein Mann befuhr mit seinem Pkw eine Kreisstraße, als er mit einem trächtigen Jungrind kollidierte. Seinen Schaden in Höhe von über 10.000 Euro machte er gegenüber dem Landwirt geltend, dem das Tier gehörte. Der Geschädigte vertrat die Ansicht, dass es nur deswegen zu dem Unfall gekommen war, weil der Bauer die Koppel, von welcher das Jungrind ausgebrochen war, unzureichend gesichert hatte.
Der Landwirt berief sich auf das gewerblichen Tierhaltern gemäß § 833 Satz 2 BGB eingeräumte Haftungsprivileg. Danach tritt keine Ersatzpflicht ein, wenn ein Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Der Landwirt bzw. sein Haftpflichtversicherer lehnten es daher ab, den dem Kläger entstandenen Schaden zu bezahlen.
Die OLG-Richter stellten sich auf die Seite des Landwirts und wiesen die Klage als unbegründet zurück.
Die Beweisaufnahme ergab, dass das den Schaden verursachende Tier zusammen mit vier anderen Jungrindern in offenkundiger Panik, deren Ursache nicht zu klären war, von der Hauskoppel des Landwirts ausgebrochen war. Auf diese waren die Tiere kurz vor dem Unfall gebracht worden, um sie nach und nach an die im bevorstehenden Winter beabsichtigte Unterbringung im Stall zu gewöhnen.
Ein vom Gericht befragter landwirtschaftlicher Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass sich der Zaun der Koppel zum Zeitpunkt des Zwischenfalls in einem möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Zustand befand. Nach seiner Überzeugung wären die Tiere jedoch auch dann ausgebrochen, wenn die Koppel ausreichend gesichert worden wäre. Selbst ein massiver, mit stromführenden Drähten gesicherter Zaun kann in Panik geratene Jungrinder, zumal wenn sie wie die den Schaden verursachende Kuh trächtig sind, nicht daran hindern, diesen zu überwinden.
Daher war das Gericht der Ansicht, dass sich der Landwirt zu Recht auf sein Haftungsprivileg gemäß § 833 BGB berufen konnte. Der dem Kläger entstandene Schaden wäre auch nicht zu verhindern gewesen, wenn der Landwirt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet und die Koppel massiver gesichert hätte.
Die Richter ließen den Einwand des Klägers nicht gelten, dass es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn der Landwirt die Tiere auf einer größeren Koppel gehalten hätte. Nach Befragung des Sachverständigen wollten die Richter diese These zwar nicht in Abrede stellen.
Trotz allem war das Gericht davon überzeugt, dass der Landwirt seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt hatte, als er die Rinder für die kurze Zeit bis zur Aufstallung auf der kleinen betriebsnahen Hofkoppel hielt. Dies ist gängige landwirtschaftliche Praxis und ermöglicht es, die Tiere vor der Aufstallung an den Hof- und Stallbereich zu gewöhnen und sie nach einer wetterabhängigen Notwendigkeit kurzfristig in den Stall zu verbringen.
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