Das Amtsgericht Singen hat mit Urteil vom 8. Juni 2012 (Az.: 3 C 15/12) entschieden, dass ein Sachverständiger aus Gründen der Waffengleichheit grundsätzlich einem Versicherungsnehmer Einsicht in ein zur Schadenermittlung eingeholtes Sachverständigen-Gutachten gewähren muss. Dies gilt vor allem, wenn die Eintrittspflicht des Versicherers streitig ist, und dieser den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf seine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit hingewiesen hat.
Bei dem beklagten Versicherer hatte der Kläger eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Im Dezember 2010 teilte er dem Versicherer mit, dass er einen Wasserschaden erlitten habe.
Daraufhin beauftragte der Versicherer einen öffentlich vereidigten Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenursache und der Schadenhöhe. Im Vorfeld der Besichtigung wurde der Kläger durch seinen Versicherer ausdrücklich auf seine nach dem Versicherungsvertrag bestehenden Auskunfts- und Aufklärungs-Obliegenheiten hingewiesen, welchen der Kläger auch nachkam.
Wenig später wurde ihm durch den Versicherer unter Hinweis auf die Ermittlungen des Sachverständigen mitgeteilt, dass er einen nicht ersatzpflichtigen Schaden erlitten habe. Es habe sich weder um einen Leitungswasser- noch um einen Elementarschaden im Sinne der Versicherungs-Bedingungen gehandelt. Eine Kopie des Gutachtens fügte der Versicherer dem Ablehnungsschreiben nicht bei.
Der Kläger bat den Versicherer um eine Kopie, da er zur Abschätzung seines möglichen Prozessrisikos auf Einsichtnahme in das Gutachten angewiesen sei. Diese Bitte erfüllte ihm der Versicherer nicht. Eine Verpflichtung, einem Versicherten Einsichtnahme in ein Gutachten zu gewähren, ergäbe sich weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus sonstigen gesetzlichen Vorschriften.
Der Versicherte fand sich damit nicht ab und zog vor Gericht, wo er eine Niederlage erlitt.
Nach Auffassung des Singener Amtsgerichts ist der Versicherer unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit zwischen den Vertragspartnern dazu verpflichtet, dem Kläger Einsicht in das Sachverständigengutachten zu gewähren. Auch der Kläger ist dem Versicherer und dem von ihm beauftragten Sachverständigen gegenüber zur Auskunft und Aufklärung verpflichtet. Wäre er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so hätte sich sein Versicherer zu Recht auf Leistungsfreiheit berufen können.
Wenn aber der Kläger einerseits zur Mitwirkung verpflichtet ist, bzw. im Falle der Obliegenheitsverletzung seinen Leistungsanspruch verliert, besteht demgegenüber der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Auskunft und Einsicht in das Guthaben.
Ohne Gutachtenvorlage ist eine angemessene Abschätzung seines Prozessrisikos unmöglich. Die Nichtvorlage des Gutachtens würde folglich auf eine dem Vertragsverhältnis nicht angemessene Benachteiligung des Versicherten hinauslaufen. Ein Anspruch auf Einsichtnahme in das Gutachten würde nur dann nicht bestehen, wenn dem Kläger unstreitig keine Versicherungsleistungen zustehen würden. Da gerade diese Frage zwischen den Beteiligten streitig ist, muss der Versicherer dem Kläger Einsichtnahme gewähren.
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