Montag, 22. August 2011

BGH-Urteil zur nachträglichen Verweisung


Das Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 30. März 2011 entschieden (Az.: IV ZR 269/08), dass ein Versicherer, der einem Auszubildenden nach Eintritt einer Berufsunfähigkeit ein zeitlich unbefristetes Leistungsversprechen gegeben hat, ohne von einer zu diesem Zeitpunkt möglichen Verweisbarkeit auf einen anderen Ausbildungsberuf Gebrauch zu machen, auch die Verweisungsmöglichkeit für die Zukunft verliert.


Bei dem beklagten VR hatte der Kläger zu Beginn seiner Maurer-Ausbildung einen Vertrag über eine Altersversorgung mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Nach einem Verkehrsunfall, bei dem er eine dauerhafte Lähmung seines rechten Arms erlitt, musste er seine Maurerlehre abbrechen. Die Berufsunfähigkeit des Klägers wurde von Seiten des Versicherers uneingeschränkt anerkannt und es erfolgte auch keine Verweisung auf einen anderen Ausbildungsberuf. Er zahlte dem Versicherten die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente und stellte den Vertrag von weiteren Beitragszahlungen frei.
Als der Kläger auf Initiative der Berufsgenossenschaft fast zwei Jahre später eine Umschulung zum Versicherungskaufmann begann, überlegte sich der Versicherer die Sache anders. Er teilte dem Versicherten mit, dass er aufgrund der neuen Situation grundsätzlich dazu berechtigt sei, seine Leistungen einzustellen. Er sei aber kulanzweise dazu bereit, die Berufsunfähigkeits-Rente bis zum Ende der Ausbildung zu zahlen und den Vertrag für diese Zeit weiterhin beitragsfrei zu stellen. Damit war der Kläger einverstanden, bereute dies nach Beendigung seiner Ausbildung. Daher verklagte er den Versicherer auf Weiterzahlung der Rente bis zum Vertragsablauf sowie auf eine dauerhafte Beitragsfreistellung.
Obwohl er mit seiner Klage in den Vorinstanzen gescheitert war, siegte er vor dem Bundesgerichtshof.
Ein Berufsunfähigkeits-Versicherer entscheidet mit seinem Leistungsanerkenntnis nicht nur über den Grad der Berufsunfähigkeit, sondern zugleich auch über eine fehlende beziehungsweise mögliche Verweisungsmöglichkeit auf einen anderen Beruf. Ein Versicherter darf daher davon ausgehen, dass eine Verweisungsmöglichkeit nicht besteht, wenn sich der Versicherer hierzu im Leistungsbescheid nicht äußert.
Das gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn wie im Falle des Klägers eine Verweisungsmöglichkeit bestanden hätte, diese von dem Versicherer aber nicht wahrgenommen wird. Der Versicherer verliert die Verweisungsmöglichkeit in so einem Fall auch für die Zukunft. Die bedingungsgemäße Regelung über ein Nachprüfungsverfahren ergäbt keinen Sinn, wenn der Versicherer ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse jederzeit von einer früheren Anerkenntnis-Erklärung abweichen könnte.
Ferner kann sich der Versicherer auch nicht mit Erfolg auf die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung zur Begrenzung der Leistungspflicht berufen. Denn wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeits-Versicherung ist ein Versicherer nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Davon ist aber auszugehen, wenn sich ein Versicherer wie im Falle des Klägers gegen das Versprechen einer befristeten Kulanzleistung eine Verweisungsmöglichkeit verschafft, die ihm in Wahrheit nicht zusteht.
Aus diesen Gründen wurde der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
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