Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 3. Februar 2011 beschlossen (Az.: IV ZR 171/09), dass einen Gebäudeversicherer bei Abschluss eines Vertrages gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten treffen, wenn er die Ermittlung der Versicherungssumme dem Versicherungsnehmer überlässt.
Bei dem beklagten Versicherer hatte der Kläger eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Die Versicherungssumme wurde auf Basis des Versicherungswerts 1914 ermittelt. Der Kläger gab an, dass ihm von dem Vermittler des Versicherers die Ermittlung der Summe überlassen wurde. Dazu sollte er im Rahmen eines sogenannten „Kästchenverfahrens“, bei dem verschiedene Fragen zum versicherten Objekt zu beantworten waren, den Versicherungswert ermitteln.
Nach einem Brandschaden stellte sich heraus, dass der Neuwert 1914 des Gebäudes nicht wie aufgrund der Angaben des Klägers im Versicherungsschein dokumentiert 30.000 Mark, sondern 38.500 Mark betrug. Der Versicherer berief sich daher bei seiner Schadenregulierung auf eine Unterversicherung und kürzte die Entschädigung entsprechend.
Der Versicherte trug in seiner gegen den Versicherer eingereichten Klage auf Zahlung einer vollständigen Entschädigung vor, bei der Ermittlung der Summe weder von dem Vermittler des Versicherers unterstützt noch über die Folgen einer möglichen Unterversicherung aufgeklärt worden zu sein.
Als der Rechtsstreit in der Vorinstanz zu Gunsten des Versicherers ausgegangen war, erlitt dieser vor dem Bundesgerichtshof eine Niederlage. Nur weil man sich zusätzlich um die Frage stritt, ob eine von dem Brand betroffene Holzvertäfelung vollständig ausgetauscht werden musste, wurde die Sache zur abschließenden Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Einen Gebäudeversicherer treffen grundsätzlich gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten, wenn er beim Abschluss eines Vertrages die Bestimmung der Versicherungssumme dem Versicherungsnehmer überlässt und dabei Versicherungs-Bedingungen verwendet, nach denen die Feststellung der richtigen Summe selbst für Fachleuten schwierig ist. Das aber ist bei der Ermittlung des Versicherungswerts 1914 der Fall. Denn angesichts der über die Jahrzehnte fortschreitenden Bautechnik, geänderter DIN-Normen zur Berechnung des umbauten Raums sowie der Verwendung neuer Baustoffe gilt die Ermittlung dieses Werts selbst unter Bausachverständigen als äußerst schwierig, so das Gericht.
Somit ist es mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar, wenn ein Versicherer solche problematischen Bestimmungen des Versicherungswerts dem Versicherungsnehmer überlässt, ohne ihn deutlich darauf hinzuweisen, welche Gefahr im Schadensfall mit der Ermittlung einer falschen Summe verbunden ist.
Daher hat ein Versicherer einen Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass jemand, der mit Fragen des Bauwesens nicht vertraut ist, in der Regel damit überfordert ist, den richtigen Versicherungswert 1914 zu ermitteln. Er muss ihm empfehlen, einen Sachverständigen hinzuzuziehen oder aber selber die Hilfe eines fachkundigen Beraters anbieten.
Verletzt ein Versicherer schuldhaft seine diesbezügliche Aufklärungspflicht, so ist er dem Versicherungsnehmer im Falle eines Schadens wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss zum Schadenersatz verpflichtet. Er hat den Versicherungsnehmer im Schadenfall dann so zu stellen, wie wenn er ihn ordnungsgemäß beraten hätte.
Nach Auffassung des Gerichts muss sich ein Versicherungsnehmer im Falle einer unterlassenen Belehrung allerdings möglicherweise erzielte Vorteile, etwa durch Zahlung einer zu geringen Prämie, anrechnen lassen.
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