Donnerstag, 16. Juni 2011

Obliegenheitsverletzung in Verbindung mit verspäteter Schadensmeldung

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 3. Dezember 2010 entschieden (Az.: 20 U 16/10), dass ein Privathaftpflichtversicherer Eltern, die einen Minderjährigen nach einer durch ihn begangenen Straftat zur weiteren Erziehung ins Ausland bringen, um ihn der hiesigen Strafverfolgung zu entziehen, nicht wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung den Versicherungsschutz versagen darf.

Das Urteil wurde nach altem Recht gefällt.

Eine Mutter hatte geklagt, deren seinerzeit 13-jähriger Sohn eine Benzinlache angezündet hatte, die sich nach dem Sturz eines Motorrollerfahrers gebildet hatte. Der Fahrer des Rollers erlitt dadurch Verbrennungen dritten Grades. Um ihn einer möglichen Strafverfolgung zu entziehen, verbrachte die Frau ihren Sohn kurz darauf zur weiteren Erziehung ins Ausland. Knapp zwei Monate später meldete sie den Vorfall ihrem Privathaftpflichtversicherer.
Der Versicherer lehnte die Regulierung des Schadens mit der Begründung ab, dass die Versicherte durch die Verbringung ihres Sohnes ins Ausland jegliche Möglichkeiten zur Feststellung eines möglichen Vorsatzes und zur Einsichtsfähigkeit des Kindes vereitelt hatte.
Das von der Klägerin angerufene Landgericht war ebenfalls der Ansicht, dass sie durch ihr Verhalten nach den dem Vertrag zugrunde liegenden AHB 2001 eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen hatte, die eine Versagung des Versicherungsschutzes rechtfertigt.
Dieser Begründung wollten die Richter des Oberlandesgerichts Hamm nicht folgen, auch wenn sie die Klage letztlich als unbegründet zurückwiesen. Nach deren Meinung ist in einem Strafverfahren niemand dazu verpflichtet, sich selbst oder einen nahen Angehörigen zu belasten und an der Aufklärung einer von ihm begangenen Tat mitzuwirken. Das gilt auch in Fällen, in denen eine konkrete Bestrafung wegen Strafunmündigkeit nicht in Betracht kommt. Eine fehlende Mitwirkung im Strafverfahren hat folglich keine Auswirkung auf ein Versicherungsverhältnis.
Daher hätte der Versicherer nur dann von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung der Klägerin ausgehen dürfen, wenn diese einer Aufforderung, den Aufenthaltsort ihres Sohnes mitzuteilen, um ihn zu dem Vorfall befragen zu können, nicht befolgt hätte. Eine solche Aufforderung durch den Versicherer hatte es jedoch nie gegeben.
Trotz allem durfte der versicherten Frau wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung der Versicherungsschutz versagt werden, das allerdings mit einer anderen Begründung. Denn sie war bedingungsgemäß dazu verpflichtet, dem Versicherer den Schaden innerhalb einer Woche anzuzeigen. Dagegen hat sie vorsätzlich verstoßen, als sie sich für die Schadenmeldung knapp zwei Monate Zeit ließ. Die Klägerin kann sich auch nicht auf Unwissenheit berufen. Denn durch einen vorausgegangenen Zwischenfall, bei welchem ihr Sohn das Schild einer Tankstelle eingetreten hatte, waren ihr die Abläufe und Fristen bekannt. Selbst wenn man die Vorsatzvermutung als mit der Unwissenheit der Klägerin widerlegt ansähe, beruhte die Obliegenheitsverletzung wenigstens auf grober Fahrlässigkeit. Denn diese hätte sich nach dem Schadenfall über ihre versicherungs-rechtlichen Obliegenheiten anhand der Versicherungs-Bedingungen oder durch Nachfragen beim Versicherer informieren müssen. Das Unterlassen jeglicher Bemühungen, sich über die einzuleitenden Schritte zu orientieren, stellt einen besonders schweren Sorgfaltsverstoß und somit grobe Fahrlässigkeit dar“, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Nach Meinung des Gerichts wurden durch die verspätete Anzeige des Schadens die Interessen des Versicherers ernsthaft gefährdet. Da es auf die Einsichtsfähigkeit des Kindes zum Tatzeitpunkt ankommt, hätte er seine Untersuchungen zeitnah nach dem Vorfall und nicht erst mit mehrmonatiger Verspätung durchführen müssen. Die Klage der Versicherten wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
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