Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil (auf Basis des alten Versicherungsvertrags-Rechts) vom 18. Mai 2010 entschieden (Az.: 12 U 20/09), der Versicherers müsse beweisen, dass sein Vermittler die Frage nach möglichen Vorerkrankungen vertieft hat, wenn in einem Lebens- und Berufsunfähigkeits-Versicherungs-Antrag, der durch einen Versicherungsvertreter ausgefüllt wurde, die Frage nach Vorerkrankungen bejaht, bei den anschließenden Erläuterungen jedoch nur die akute Schwangerschaft der Antragstellerin erwähnt wurde.
Im Juni 2005 hatte die zu diesem Zeitpunkt im fünften Monat schwangere Klägerin bei der Beklagten eine Risikolebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einschließlich Beitragsbefreiung abgeschlossen. Der Antrag wurde von einem Außendienstmitarbeiter des Versicherers ausgefüllt. Die Frage danach, ob die Klägerin in den letzten fünf Jahren wegen Krankheiten, Beschwerden oder Störungen unterschiedlichster Art beraten oder behandelt worden war, wurde bejaht. In den anschließenden Erläuterungen wurde jedoch nur die bis dahin komplikationslos verlaufende Schwangerschaft erwähnt. Die Klägerin war jedoch drei Jahre zuvor wegen eines Schulter-Arm-Syndroms für 16 Tage krankgeschrieben worden. Hiervon erfuhr der Versicherer erst, nachdem sie zwei Jahre nach Abschluss des Vertrages einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit einreichte. Die Angaben zu der Gelenkserkrankung wurden auch nicht von der Versicherten selbst, sondern von ihrem Hausarzt gemacht, der im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente durch den Versicherer nach Vorerkrankungen befragt worden war.
Die Versicherung fühlte sich von der Klägerin getäuscht und trat daher wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zurück.
Dagegen klagte die Versicherte und machte geltend, dass es sich bei dem Schulter-Arm-Syndrom um eine Bagatellerkrankung gehandelt hatte, an welche sie sich bei Antragsaufnahme nicht mehr erinnert habe. Ihr Arzt bestätigte ihr, dass er sie ausschließlich zu ihrer Entlastung krankgeschrieben hatte. Es war weder eine medikamentöse noch eine andere Therapie durchgeführt worden.
Ferner wies die Klägerin in ihrer Klageschrift darauf hin, dass sie die Antragsfrage nach Vorerkrankungen wahrheitsgemäß mit „ja“ beantwortet hatte. Der Versicherungsvertreter habe aber im Weiteren ausschließlich nach ihrer zum damaligen Zeitpunkt nicht zu übersehenden Schwangerschaft gefragt. Der Vorwurf, ihre Anzeigepflicht verletzt zu haben, sei daher unrichtig.
Das überzeugte die Richter des Karlsruher Oberlandesgerichts letztlich, so dass sie der Klage der Versicherten gegen ihren Versicherer statt geben
Nach Meinung der Richter konnte der Versicherer nicht beweisen, dass die Klägerin die Frage nach den Vorerkrankungen falsch beantwortet hatte. Denn sie hatte die Frage richtigerweise bejaht. Unzutreffend wären die Angaben zu den Gesundheitsfragen daher nur dann gewesen, wenn die Klägerin bei einer Nachfrage nach einzelnen Erkrankungen lediglich ihre Schwangerschaft angegeben hätte.
Nach der Beweisaufnahme wollte das Gericht davon aber nicht mit der dafür erforderlichen hinreichenden Sicherheit ausgehen. Der Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder einer arglistigen Täuschung obliegt in Fällen, in denen ein Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, die Fragen eines Versicherungsvertreters mündlich richtig beantwortet zu haben, dem Versicherer. Das Gericht begründete: „Dass gilt auch insoweit, als der Versicherungsnehmer ergänzende Angaben unterlässt, weil der Agent ihn über die in den schriftlichen Antrag aufzunehmenden Tatsachen falsch unterrichtet. Beweisen muss der Versicherer auch, dass der Agent die angeblich falsch beantworteten Fragen überhaupt gestellt hat“.
Der Versicherungsvertreter wurde als Zeuge befragt. Dabei konnte sich jedoch nicht mehr an alle Einzelheiten des mit der Klägerin im Rahmen der Antragsaufnahme geführten Gesprächs erinnern und wusste nur, dass er sich in einem gewissen Zeitdruck befand, weil er an diesem Tag in Urlaub fahren wollte und sein gepacktes Auto vor der Tür stand. Außerdem gab der Vertreter an, sich vorab bei dem Versicherer erkundigt zu haben, ob die ihm bekannte Schwangerschaft der Klägerin einem Vertragsabschluss entgegenstehe. Ihm sei aber bedeutet worden, dass das grundsätzlich nicht der Fall sei. Der Vermittler konnte sich hingegen nicht mehr daran erinnern, ob sich das „Ja“ der Klägerin bei der Frage nach den Vorerkrankungen ausschließlich auf ihre Schwangerschaft bezog, konnte sich der Vermittler hingegen nicht mehr erinnern.
Die Richter zeigten sich nach all dem davon überzeugt, dass es dem Versicherer nicht in ausreichender Weise gelungen war, den Beweis dafür zu erbringen, von der Klägerin bewusst getäuscht worden zu sein. Sie gaben der Klage der Frau daher in vollem Umfang statt. Auch eine Revision gegen ihre Entscheidung ließen sie nicht zu.
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